Meine Schattenbilder sind eine Reminiszenz an die lange Geschichte des Tales von Mexikos, das Leben unter den Vulkanen, an die Azteken und deren Götter und der von den Spaniern und ihren Hilfstruppen erobert und zerstörte Hauptstadt Tenochtitlan.
Täglich durchstreife ich die Straßen Mexikos, auf der Suche nach besonderen Schatten. Im Laufe der Zeit entdeckte ich, dass diese, manchmal ganz besonderen Qualitäten, eine dem Ort einzigartige Vielschichtigkeit besitzen, die meine Fantasie anregt. Es gibt hier Schatten, die entstehen, wenn sich die verschiedenen Strukturen, natürliche und zivilisatorische im Licht der Sonne treffen und deren Wechselwirkung mithilfe des Windes den Boden eine Geschichte wie in einem Stummfilm erzählen lassen.
Es gibt Tage, da sind alle Schatten grau und konturlos und an ganz schlechten setzt sich der farblose Himmel auf den Straßen fort. Aber dann gibt es Tage, an denen alle Bedingungen stimmen. An diesen werden die Schatten schwarz und changieren ins Dunkelblaue, je nachdem wie groß ihr Abstand zum Boden ist.
Dies sind Momente, die ich suche und in denen ich fündig werde. Es bedarf eines bestimmten Zusammenspiels von Sonne, Wind und Luftfeuchtigkeit sowie des Bodens, meiner Leinwand. Dieser muss von der Zeit gezeichnet sein, von Wurzeln und Erdbeben gebrochen und von Laub bedeckt sein, um dem Schattenspiel eine weitere Dimension zu verleihen.
Die Tatsache, dass ich mich so zu den Anfängen der Fotografie zurückbegebe und mit Licht und Schatten male, Momente einfange, die nur für einen Augenblick existieren, reizt mich und bewegt mich dazu, mich täglich mehrere Stunden auf die Jagd nach den Schatten zu begeben.
In meinen Fotos treffen sich für einen kurzen Moment Gegenwart und Vergangenheit, Physisches und Metaphysisches, so stelle ich es mir gerne vor. Die Schatten sind vielschichtige Formen, die mich an Fabelwesen und mythologische Kreaturen erinnern. Gerade wenn ich aus dem Museum der Anthropologie komme oder Bücher über die Geschichte Mexikos gelesen habe, sind sie voll von schrecklich grausam schönen Formen, die mich in ihren Bann ziehen und mich zum weiteren Nachdenken über die Geschichte Mexikos anregen.
Beim Schatten fotografieren lerne ich viel über das Leben und seine Vergänglichkeit. Innerhalb von Minuten verändern sich die Dinge und dort, wo vor kurzem noch munter die Schatten spielten, bleibt nur eine leere Fläche zurück. Es ist meditativ, den Lauf der Zeit zu beobachten und daran erinnert zu werden, dass alles vergeht, der Moment niemals wiederkehrt und sein Echo langsam verhallt.