Invierno (Im Land der Zyklopen)
Auf der Suche nach einem passenden Quartier für meine Erkundungen stieß ich rasch auf Aci Trezza, einem Ort an der Küste der Zyklopen, am Fuße des Ätna. Von hier aus konnte ich aus meinem Fenster die Felsbrocken sehen, die einst der Zyklop Polyphem, laut Homer, nach Odysseus und seiner Mannschaft warf, nachdem diese seine Vorräte geplündert und ihn geblendet hatten. Durch ihre Taten war Polyphem ihnen zum Feind geworden und sie mussten die Insel überstürzt verlassen. Ich hatte mehr Glück und lernte Daniele, meinen Gastgeber kennen, der mir ein schönes Zuhause gab und gerne seine Vorräte mit mir teilte.
Eine andere Legende berichtet von der Nymphe Galatea, die mit Polyphem liiert war und mit diesem ein gemeinsames Kind namens Galatos hatte. Eines Tages soll sich Galatea in den jungen Hirten Akis (Aci) verliebt haben, den Polyphem daraufhin mit einem großen Felsen erschlug. Aus Trauer um ihren Geliebten verwandelte Galatea Akis Blut in einen Fluss und ihm zu Ehren gaben die griechischen Siedler später allen Ortschaften dieser Gegend den Beinamen Aci.
Bei meinen Recherchen lernte ich, dass das Wort Zyklop vom griechischen Kyklophtalmos “das Kreisauge” verkürzt zu Kyklop(h) stammt und das Polyphem „der Vielgerühmte“ bedeutet. Diese Beschreibung eignet sich auch bestens für einen Vulkan, seine Krater und Eruptionen mit den daraus fliegenden Lavabomben.
Wenn ich darüber nachdenke, dass die Zyklopenfelsen in Aci Trezza vom Zyklop Polyphem nach Odysseus geworfen wurden, aber eigentlich vulkanischen Ursprungs sind, und auch Akis mit einem Fels erschlagen wurde, dann könnte es doch sein, dass der Ätna der viel gerühmte Zyklop Polyphem ist, zumindest gibt es einige Gemeinsamkeiten.
Eine Frage, die ich mir seit meiner Beschäftigung mit der Antike häufig stelle, ist, ob die Zyklopen, Nymphen und Götter nicht eventuell im Verborgenen weiterleben? Wenn ich mich länger in den Höhen des Ätna aufhalte, fühle ich mich der Welt entrückt und den Fabelwesen nahe. Je länger ich mich mit den alten Mythen beschäftige, desto mehr beginnt sich in mir das vorchristliche Weltbild auszubreiten. Diese Rückbesinnung bereitet mir eine große Freude.
Auf der Suche nach Motiven hatte ich einige Erlebnisse, welche mich die Natur auf eindrucksvolle Weise erleben ließen. Wenn die Wolken in den Wäldern des Ätna emporsteigen und ich durch den Nebel wanderte, hatte ich das Gefühl, als würde der Berg atmen, die Natur leben. Als ich in einem Gewitter zwischen Blitz und Donner auf einem Lavafeld stand, war mir, als würden der Berg und die Elemente sprechen und als würden sich die Götter in meiner Anwesenheit streiten. Die eindrucksvollsten Momente waren aber jene, in denen die Sonne zum rechten Zeitpunkt die Landschaft illuminierte oder ein Sonnenstrahl besondere Details lebendig machte.
Als ich mich auf diese Art der Betrachtung und das empfindsame Erleben eingelassen hatte, begann ich an den unterschiedlichsten Orten eine beseelte Natur zu entdecken. Meistens zeigte sich diese nur für kurze Augenblicke und dann war es mir, als würde ich von Elementargeistern beobachtet und wohlwollend einladen, meines Weges zu gehen. Hiermit möchte ich mich ausdrücklich bei ihnen dafür bedanken, dass sie mir diese Fotos ermöglichten, denn jedes Foto war ein einzigartiger Augenblick.