Während ich mich im letzten Jahr dem Vesuv widmete, stieß ich auf den griechischen Philosophen Empedokles, geboren im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung im heutigen Agrigent auf Sizilien und seiner Lehre der Vier Elemente. Der Aufbau dieses zweiten Bandes meiner “Vulcanicals” orientiert sich an dieser Idee, die ich aber in diesem Buch der besseren Darstellung halber durch die vier Jahreszeiten substituiere.
Im Zentrum der Kosmologie des Empedokles steht die Vorstellung eines ewigen Kreislaufs, der aus den Trägern des Seins, den vier Urstoffen: Feuer, Wasser, Erde und Luft besteht. Er beschreibt, dass sich diese Urstoffe durch zwei entgegenwirkende Kräfte, eine anziehende und vereinigende und eine abstoßende und trennende, ständig neu vermengen. Die vereinigende Kraft nennt er philótēs (Liebe, Freundschaft), die trennende neíkos (Streit). Die beiden Kräfte streben unablässig danach, einander zu verdrängen. Aus diesem endlosen Kreislauf resultieren alle Vorgänge im Universum, einschließlich der menschlichen Schicksale.
Wenn wir dieses Konzept heute auf die Erde und die Vulkane übertragen, fällt auf, dass wir den Begriff Eruption für die schöpfende und Erosion für die trennende Kraft verwenden können. Durch den Kreislauf der Plattentektonik und die Kraft des Vulkanismus befindet sich die Oberfläche unserer Erde in ständiger Bewegung. Das für uns sichtbarste Zeichen dieser Prozesse sind die Vulkane, und der Ätna ist darunter einer der prominentesten.
Empedokles ist noch aus einem zweiten Grund bedeutend für die Geschichte der Vulkane. Der Legende nach sprang er am Ende seiner Tage in den Schlund des Ätna. Dies ist deshalb eine interessante Geschichte, denn der Krater eines aktiven Vulkans ist der einzige Ort auf der Welt, an dem sich alle Elemente aktiv vermengen. In diesem Sinne passt die Geschichte über den Tod des Empedokles thematisch ausgezeichnet zu seiner Lehre und wurde zu einer Inspiration für die Menschen der nachfolgenden Jahrtausende. In Deutschland haben sich in den letzten Jahrhunderten Friedrich Hölderlin zu seinem Werk “Der Tod des Empedokles” und Bertolt Brecht zum Gedicht “Der Schuh des Empedokles” inspirieren lassen. Man könnte sagen, dass der Sprung des Empedokles in den Ätna, in den Schoß der Erde, auch ein Sprung in die Unsterblichkeit war.